Stakeholder-Taxonomie (1169)
Um was geht’s?
Der Begriff „Stakeholder“ klingt im ersten Moment sehr präzise. Ist er aber nicht. Da ja irgendwie jeder und alle Stakeholder in unterschiedlichen Situationen sein können, kann mit dem Begriff Stakeholder auch immer eine sehr spezielle und eingegrenzte Personengruppe gemeint sein. Je nach Kontext sind unterschiedliche Aspekte, Gruppen und „Arten“ zu betrachten.
Die Unterscheidung auf dieser Seite dient dem besseren Verständnis, warum im Projektgeschäft ständig und dauernd von Stakeholdern die Rede ist, obwohl diese in unterschiedlichen Rollen und Funktionen vorkommen.
Es gibt grundsätzlich beliebig viele und noch andere Unterscheidungen und Klassifizierungen, die je nach Projektumfeld ebenfalls ihre Berechtigung haben:
- Passive und aktive Stakeholder
- Interne und Externe Stakeholder
- usw.
Und wie immer ist die Realität unschärfer und es kann natürlich auch ein Stakeholder in zwei Gruppen gleichzeitig auftauchen.
Betrachten wir nun die unterschiedlichen Stakeholdergruppierungen:
Die Business-Treiber-Stakeholder
Typisierung: Das sind alle, die das Projekt wollen, es unterstützen, Anforderungen haben und sich etwas von dem Projekt versprechen. Aber auch ihre Interessen platzieren möchten, politischen Einfluss nehmen oder Lobbyarbeit betreiben.
Einfluss aufs Projekt: Groß, da sie die Grundlage für die Exisitenzberechtigung des Projekts bilden.
Vorkommnis: Start des Projekts, Vorprojektphase, typische Sparringspartner der Business Analysten. In der Business Analyse gibt es eine eigene Domaine, die sich nur dem Thema widmet, wie man diesen Stakeholdern ihre Anforderungen herauskitzelt (das heißt tatsächlich so!)
Aus Sicht der Projektleitung: Das Verständnis der Projektmotivation ist immer sehr hilfreich, allerdings ist der Grad der Einflussnahme vom Projekt zu diesen Stakeholdern eher gering. Meist ist das Thema ja auch schon platziert, wenn eine Projektmensch die Bühne betritt.
Die Endbenutzer bzw. Kunden
Typisierung: Das sind alle diejenigen, die ganz am Ende mit dem Projektprodukt zu tun haben werden. Die es also nutzen und für ihre Zwecke einsetzen werden. Diese Stakeholder treten in einem klassischen Projekt eher gar nicht oder nur indirekt auf, in einem agilen Projekt wird versucht, frühzeitig mit dieser Gruppe ins Gespräch zu kommen, um die Entwicklung zu beeinflussen. Typisch ist die Teilnahme der Kunden an agilen review-Meetings.
Einfluss aufs Projekt: Im klassischen Projekt meist (leider) nicht so stark wie im agilen Projekt. Wenn das Projektprodukt aber nicht für einen breiten Markt gemacht wird, sondern z.B. eine Spezialanfertigung für eine Fachabteilung ist, dann kann auch im klassischen Umfeld eine starke Interaktion stattfinden.
Vorkommnis: Idealerweise während des gesamten Projektes. Im klassischen Umfeld meist erst ganz am Ende, dann, wenn alles fertig ist. Daher wird versucht, während der Projektlaufzeit die Aspekte dieser Stakeholdergruppe im Qualitätsmanagement aufzufangen („Voice of the Customer“, „Qualität ist, wenn der Kunde zurückkommt und nicht das Produkt“, …)
Aus Sicht der Projektleitung: Eine Berücksichtigung dieser Stakeholdergruppe fällt vielen im Projektgeschäft schwer. Hängt aber stark vom Projekttyp ab und auch von der Methodik.
Die Aufsichtsgremien und Strukturen
Typisierung: Das sind alle diejenigen Stakeholder, die die Projektausführung überwachen und steuern, als Eskalationsinstanz dienen und dem Projekt den Durchführungsrahmen geben. Typischerweise der Lenkungskreis oder Steuerkreis. Diese Stakeholder können ganz eigene Interessenslagen haben und nicht den Produkterfolg an erster Stelle sehen, sondern eher die geräuschlose Projektabwicklung.
Einfluss aufs Projekt: Groß, da ja die Steuerungsebene
Vorkommnis: Während der gesamten Projektlaufzeit. Wird im Projektkontext über das Thema Governance, Struktur, Linie/Projekt, Projektorganisation, PMO usw. abgehandelt.
Aus Sicht der Projektleitung: Da die Steuergremien dem Projekt allgegenwärtig sind, ist die Gefahr, diesen Stakeholder zu vergessen, kaum vorhanden.
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Das direkte Arbeitsumfeld
Typisierung: Das sind alle Personen bzw. Personengruppen, die direkt mit dem Projekt zu tun haben, also das Projektteam und der engere Dunstkreis drumrum.
Einfluss aufs Projekt: Groß, da dort die Projektarbeit erfolgt.
Vorkommnis: Während der gesamten Projektlaufzeit. Die Themen dieser Stakeholdergruppe sind Teambuilding, Motivation, Kommunikation, Delegation, Führung, Konflikt, Gruppendynamik, usw.
Aus Sicht der Projektleitung: Extrem wichtig. Vor allem durch den Anspruch an die Projektleitung, eine laterale Führungskraft zu sein. Im agilen Umfeld auch gerne Servant Leadership genannt. Die eigentliche Herausforderung im Projektgeschäft.
Das indirekte Arbeitsumfeld
Typisierung: Das sind alle diejenigen, die sich im weiteren Dunstkreis des Projekts bewegen, aber nichts direkt mit dem Projekt zu tun haben. Die Arbeitskollegen, andere Abteilungen, Stabsstellen, andere Niederlassungen, aber auch z.B. Lieferanten.
Einfluss aufs Projekt: Natürlich viel geringer, werden dadurch aber leicht vergessen und können sich schnell zu einer sehr einflussreichen Stakeholdergruppe entwickeln, die dem Projekt nicht unbedingt wohlgesonnen sein muss.
Vorkommnis: Während des gesamten Projekts, zu Beginn noch in geringerem Ausmaß. Typischer Gegenstand einer neutralen und allgemeinen Stakeholderbetrachtung.
Aus Sicht der Projektleitung: Wird leicht übersehen und ist meist Gegenstand von Kommunikationsüberlegungen, also z.B. im Intranet oder Mitarbeiterzeitschriften.
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Projektgegner
Typisierung: Das sind all diejenigen Stakeholder, die qua Amt gegen das Projekt sind, meist auch öffentlichkeitswirksam und laut. Hierunter zählen Bürgerbewegungen, Umweltinitiativen oder andere NGOs. Aber wenn das Projekt zum Gegenstand hat, einen Standort zu schließen und die Abwicklung zu organisieren, dann gehören in diese Kategorie auch jede Menge interne Stakeholdergruppierungen wie Betriebsrat oder Mitarbeiterbewegungen.
Einfluss aufs Projekt: Groß. In Infrastrukturprojekten neigt man dazu, den Stakeholderbegriff nur auf diese Gruppe zu reduzieren, was bedauerlich ist.
Vorkommnis: Formen sich meist im ersten Drittel der Projektlaufzeit.
Aus Sicht der Projektleitung: Diese Stakeholder können ganz eigene Liefergegenstände im Projekt bewirken. Denken wir zum Beispiel an einen Informationspavillion wegen einer Baumaßnahme.
![](https://irma.wuttke.team/wp-content/uploads/2020/12/infopavillion-1024x683.jpg)
Outer Space
Typisierung: Das sind alle Stakeholder, die scheinbar nichts mit dem Projekt zu tun haben, oder deren Einfluss und Macht auf das Projekt nicht ernstgenommen wird.
Einfluss aufs Projekt: Gering bis gar nicht – wenn dem nicht eine Fehleinschätzung zu Grunde liegt.
Vorkommnis: Wird in der Regel vom Projekt nicht beachtet, maximal in der allgemeinen Kommunikation.
Aus Sicht der Projektleitung: Wahrscheinlich den Aufwand nicht wert, hier Zeit zu investieren. Die Gefahr liegt höchstens in einer Fehleinschätzung. Eine schwedische Schülerin wurde am Anfang auch belächelt…
![](https://irma.wuttke.team/wp-content/uploads/2020/12/GretaThunberg.jpg)
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